Viel besser hätte die Oberliga Hamburg gar nicht in die Saison starten können. Es ist viel Feuer, viel Spektakel drin, die stärkste Oberliga Hamburg aller Zeiten scheint sich zu bewahrheiten. Und dann schlug sie gestern, die Bombe, vor der jeder Angst hat. Nacheinander berichteten die Hamburger Morgenpost und das Hamburger Abendblatt über möglicherweise manipulierte Spiele in der Hansestadt, Live-Wetten auf Oberliga-Spiele und verdächtige Datenscouts auf den Plätzen. Nachrichten mit Schockwirkung für die Liga.
Stand der Dinge
Am Freitagmorgen hatte die Morgenpost einen Artikel veröffentlicht und auf 17, möglicherweise manipulierte Spiele in Liga drei, in zwei Regionalligen und verschiedenen Oberligen berichtet. Fast zeitgleich hatte der Deutsche Fußball-Bund sämtliche Vereine im Verbandsgebiet darüber unterrichtet und so bestätigt, dass Ermittlungen laufen. Am Vormittag ging das Abendblatt mit einem Bericht über verdächtige Datenscouts und Live-Wetten in der Oberliga online, der NDR berichtete, dass mindestens „zwei Spiele“ in Hamburg unter Verdacht stehen. Darunter soll sich auch mindestens ein Spiel der laufenden Oberliga-Saison befinden.
Da es sich um Wettbetrug handeln könnte, ermittelt nicht nur der DFB und dessen Monitoring-Partner. Nach ARD-Berichten haben im Saarland, in Hessen und beim Bundeskriminalamt entsprechende Ermittlungen begonnen.
Vorfälle bei drei Oberliga-Spielen
Dass es rund um den sechsten Spieltag zu Manipulationen kommen könnte, erfuhren der Niendorfer TSV und der TSV Sasel wenige Stunden vor Anpfiff ihrer Heimspiele. „Es gab einen Tipp, dass es da Auffälligkeiten gäbe und dass man auf das Spiel besonders wetten kann. Wir mögen die Augen aufhalten, ob sich da jemand auffällig verhält – und das war ja auch der Fall“, äußerte sich NTSV-Ligamanager Marcus Scholz gegenüber dem NDR. „Wir hatten dann jemand, der mit seinem Handy dastand und jede Situation beschrieben hat. Rechte Seite, linke Seite, Flankenwechsel, Ecke, Abstoß – da war relativ klar, dass er irgendwas für einen Wettanbieter macht.“ Ein entsprechendes Video des Vorgangs veröffentlichte das Abendblatt – Live-Wetten auf diese Partie rissen dem Abendblatt zu Folge nach dem Rauswurf des Scouts ab,
Auch beim TSV Sasel wurde ein Zuschauer der Anlage verwiesen. Dies bestätigte Trainer Jan Ramelow auf Nachfrage, weitere Informationen gab der Club aber noch nicht bekannt.
Der dritte Fall ereignete sich gestern in Altona. Auch dort wurde aufgrund eines Hinweises ein auffälliger Datenscout gesucht, identifiziert und der Anlage verwiesen – ein Umstand, der Altona 93 geschockt zurückließ und vor allem nachdenklich zurückließ. Zumal auch hier vor dem Spiel eine erhöhte Wettaktivität zu beobachten gewesen sein soll und während der ersten Halbzeit Live-Wetten platziert wurden.
Man muss differenzieren
Jetzt ist das mit den Datenscouts eine recht diffizile Sache, denn es gibt eben die Scouts, die völlig legal und vor allem auch gewünscht sind. Für Datendienstleister, Vereine und Verbände sind sie auf den Plätzen und in den Stadien unterwegs, sammeln alle möglichen Daten von Laufleistungen über die Torvorlage bis zur Zweikampfquote. Medien nutzen diese während der Live-Übertragungen oder für ihre Berichte, Trainer erleichtern sie Spielanalyse und -vorbereitung.
Allerdings -und hier beginnt das Minenfeld- ist der Begriff „Datenscout“ nicht geschützt. Auch bei den drei oben genannten Fällen handelt es sich um Datenscouts, die ähnliche oder sogar gleiche Daten sammeln wie andere – nur, dass sie bei unzulässigen (da verbotenen) Wetten helfen. Und dieser Umstand ist den Personen noch nicht mal bewusst, wie Marcus Scholz gegenüber dem Hamburg Journal erklärte: „Die angesprochene Person wusste noch nicht mal, dass sie hier etwas verbotenes macht.“ Hinzu kommt: niemand weiß, ob diese Personen für einen Wettanbieter im Ausland arbeiten oder doch für Personen, die am aktiven Wettbetrug interessiert sind. Das dürften nur polizeiliche Ermittlungen zeigen.
Schockwelle in der Liga
Die Nachrichten der letzten Tage trafen Vereine und Verband in weiten Teilen unvorbereitet. „Ich konnte die Berichte gar nicht glauben“, so Sportchef Jan Schönteich von TuS Dassendorf gegenüber OBERLIGA.info und steht damit stellvertretend für die Schockwirkung, welche die Nachrichten in der Liga hinterlassen haben. „Wir sind erschüttert ob der Ereignisse“, heißt es bei Altona 93 in den sozialen Netzwerken.
Da sich der DFB nicht weiter zu konkreten Spielen äußert, sitzen auch die Vereine im Dunklen „Wenn ich mir unsere Spiele aus der letzten Saison oder aus dieser Saison anschaue, dann kann ich keine Anzeichen erkennen, dass dort manipuliert wurde. Weder bei unseren Niederlagen noch bei unseren Siegen. Ich glaube daher nicht, dass eines unserer Spiele davon betroffen ist“, so Jan Schönteich und Jan Haimerl, sportlicher Leiter beim USC Paloma, ergänzt: „Auffällige oder verdächtige Spiele haben wir bisher nicht.“
Verband und Vereine können es alleine nicht richten
Wie die Medienberichte und die Vorfälle der Woche zeigen, sind Vereine und Verbände auf Tippgeber und auf Mithilfe von Polizei, Justiz und Politik. Man sei bei der Analyse und Aufarbeitung, so Christian Okun, Präsident des Hamburger Fußball-Verbandes gegenüber, gegenüber dem NDR und ergänzte: „Sollte es sich wirklich um Fälle im Darknet handeln, zeigt es die kriminelle Energie, die dahinter steckt. Beim Darknet-Problem können wir als Verband nicht den Stecker ziehen. Man wird es nicht unterbinden können, wir können aber für gute Aufklärung sorgen. Es ist ein nationales Thema.“
Für die Vereine gilt, bei den Zuschauern genauer hinzusehen. „Grundsätzlich kenne ich eigentlich alle Zuschauer bei uns persönlich. Aber wir werden unseren Ordnungsdienst entsprechend sensibilisieren, dass wir da genauer hinschauen“, sagt beispielsweise Jan Schönteich, während andere Vereine die Anwesenheit von Datenscouts von Wettanbietern in der Vergangenheit nicht ausschließen wollen. Man wolle aber genauer hinschauen. Insgesamt sucht die Oberliga aber nach Antworten und nach Wegen, wie mit der Situation umzugehen ist.
Fakt ist aber auch: Wetten auf Spiele der Oberliga werden sich kaum verhindern lassen, so lange es im Ausland legal bleibt, auf Amateursport zu wetten. Und das sich hier etwas ändert, wenn man beispielsweise aus Asien auf Spiele in Deutschland wetten kann, ist utopisch. Daher bleibt zu hoffen, dass die Ermittlungen der kommenden Wochen Ergebnisse zu Tage fördern, die dem Amateurfußball nicht zu sehr schaden.