Die Hinrunde in der Oberliga Hamburg steht in den Büchern und bietet ein ungewohntes Bild: alle Teams haben 17 Spiele absolviert, was in den letzten Jahren meist nicht der Fall war. Entsprechend ist die Tabelle vor dem Start in den winterlichen Teil gerade und aussagefähig. Die Spreu hat sich vom Weizen getrennt und spätestens jetzt sollte jede Mannschaft wissen, wo sie steht. Zeit für uns zu schauen, was bzw. wer gut war und wer nicht so. Hier sind unsere Tops und Flops der Hinrunde – unsere ganz persönliche Sicht der Dinge.
Flop: ETSV
Der ETSV hat Spektakel (bereits 62 Tore geschossen) und einen der Top-Spieler der Hinrunde (siehe unten) zu bieten. Und doch tauchen die Eisenbahner in der Flop-Kategorie auf. Kein Wunder, hatte man am Mittleren Landweg doch massiv ins Team investiert und den Angriff auf die Regionalliga ausgerufen. Die Konkurrenz konnte teilweise nur ehrfürchtig den Saisonstart bestaunen. Doch mittlerweile ist der ETSV entschlüsselt, der Zug in Richtung Regionalliga abgefahren. 15 Zähler beträgt der Rückstand auf Altona und dass dies aufgeholt wird, ist dann doch utopisch. Die Folge: Trainer Algan musste gehen, sein Nachfolger Jan-Philipp Rose wurde heute vorgestellt.
Flop: TuS Dassendorf
Mit TuS Dassendorf ist ein zweites Topteam bei den Flops – kein Wunder, hatte doch auch der ehemalige Serienmeister einen Großangriff geplant. Namhafte Verstärkungen sollten dafür sorgen, dass die TuS erstmals seit 2018 wieder das Double feiert. Doch zur Halbzeit ist klar: das wird nichts. Pokal-Aus bei Victoria, nur elf Siege in der Vorrunde, Trainerentlassung und zuletzt ein 2:5-Debakel in Harksheide. Das ist nicht das, was sich die Verantwortlichen am Wendelweg überlegt hatten. Die Niederlagen in den Top-Spielen gegen Altona und den ETSV hätte man sicherlich noch hingenommen, weil die eben passieren können. Doch wie sagte Sportchef Jan Schönteich vor ein paar Wochen sinngemäß? Man dürfe gegen die vermeintlich kleineren Clubs keine Federn lassen – doch eben diese Punktverluste sorgen nun dafür, dass Dassendorf mit zwölf Zählern Rückstand auch das Thema Meisterschaft begraben kann.
Flop: HSV III
Apropos zwölf Punkte Rückstand: den hat auch der HSV III – und zwar auf das rettende Ufer. Man muss es ganz klar sagen: der ist auch verdient. Vor der Saison war die Einschätzung, dass der Aufsteiger eine gute Rolle spielen wird und so manchem Top-Team auch ein Bein stellen könnte. Davon ist aber nichts geblieben: nur ein Sieg, 14 Niederlagen und die Erkenntnis, dass man in der Summe nicht oberligatauglich ist, stehen zu Buche. Vor allem muss man konstatieren: die Rothosen sind nicht fit und haben nur Luft für ca. eine Stunde. Beispiele gefällig: gegen den HEBC spielt der HSV gut, liegt nur knapp zurück, um dann in Halbzeit zwei kaum etwas aufs Feld zu bringen. Gegen Altona (vier), den ETSV (ebenfalls vier) und Victoria (drei) fallen die Gegentore nach der Pause – der Großteil nach der 60. Minute und trotz der Tatsache, dass man selbst gut im Spiel ist. Und der große „Meltdown“ gegen den FC Türkiye (3:3 nach 3:0, alle Gegentore in den letzten 16 Minuten) ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. Und somit ist klar: der Meister der Landesliga Hammonia kann nach einem Jahr wieder für selbige planen.
Flop: FC Süderelbe
Man möge es mir am Kiesbarg verzeihen, doch der FC Süderelbe gehört wieder zu den Flops der Hinrunde. Nicht, weil man die 49ers als Geheimfavoriten auf dem Zettel hatte, sondern weil der FC Süderelbe mal wieder keine Hinrunde kann. Vier Siegen stehen zwölf Niederlagen gegenüber, was in der Abrechnung Platz 16 und vier Punkte Rückstand auf das rettende Ufer macht. Das erinnert stark an die Vorjahre – in verstärkter Form. Und wie in den letzten Jahren auch, kassiert man zu viele Gegentore. 51 sind es bisher, nur Schlusslicht HSV kassiert mehr. Bleibt für Süderelbe nur zu hoffen, dass man es macht wie in der jüngeren Vergangenheit: auf einen schwachen Start folgte eine gute Rückrunde.
Top: Altona 93
Kommen wir zu den Tops und da kommt man am Tabellenführer nicht vorbei. Altona 93 spielt eine bemerkenswerte Saison. 16 Siege sind eine echte Hausnummer und man muss schon ein paar Jahre zurückgehen, um eine ähnliche Performance eines Herbstmeisters zu finden. Zwar ist die Meisterschaft noch nicht entschieden und vorschnelle Gratulationen sind auch unangebracht. Aber die Frage ist durchaus berechtigt, wer den AFC schlagen kann. In dieser Saison gelang dies bisher nur dem ETV – das wird auf die Saison gesehen wohl zu wenig sein, um die Elf von Andreas Bergmann vom Thron zu stürzen.
Top: USC Paloma
Mit dem Pokal-Finale schien der USC Paloma im letzten Sommer den Zenit seines Schaffens erreicht zu haben. Dazu verließ mit Moritz Niemann das Herz und Hirn der Mannschaft die Brucknerstraße. Weitere Spieler, die zwar keine Stammspieler (mehr) waren, für das Gefüge aber ungemein wichtig. Wo sollte die Reise hingehen? Man kann es sagen: aktuell nach oben. Trotz etwas holprigem Saisonstart ist Paloma Vierter und wirkt als Mannschaft ungemein gefestigt. Angeführt vom neuen Kapitän Lasse Blöcker und Offensivkraft Haron Sabah (dazu unten mehr) ist Paloma dabei, nochmal einen draufzusetzen. Hochglanzfußball darf man zwar nicht erwarten, aber die Tauben sind ungemein stabil und können aus wenig viel machen. Der Lohn sind aktuell Platz vier und das erneute Pokal-Viertelfinale – es könnte die beste Saison der Vereinsgeschichte werden.
Top: SC Victoria
Mit Platz sechs ein Top? Kann man natürlich trefflich drüber streiten, doch nach der Unruhe der letzten Jahre muss man den SC Victoria in dieser Saison definitiv loben. Die „alte Dame Vicky“ setzt unter dem neuen Trainer Sascha Bernhardt die Entwicklung fort, welche unter Interim David Eybächer in der letzten Rückrunde begann. Die Victoria wirkt deutlich stabiler, hat eine klare Handschrift und hat nicht mehr den Schlendrian wie in den letzten Jahren drin. Die deutlich verjüngte Mannschaft zeigt gute Leistungen und vor allem die Neuzugänge scheinen zu passen. Von Außen bekommt man das Gefühl, dass der Spaß an der Hoheluft wieder da ist – und die Zuschauer danken es.
Top: die jungen Wilden
Nach wie vor tummeln sich in der Oberliga einige namhafte Spieler. Natürlich thront über allem Ex-Nationalspieler Martin Harnik, diverse andere Ex-Profis und Spieler, die zumindest in Liga drei und vier aktiv waren, findet man ebenfalls in den Kadern. Doch es sind die jungen Spieler, die in dieser Saison für Furore sorgen. Natürlich fallen da die Namen von Antonio Verinac (19 Jahre/ETSV), der in vergleichsweise wenig Einsatzzeit 17 Tore erzielt, von Lasse Scobel (19), welcher beim ETV den nächsten Schritt geht, und von Raif Adam (19), der bei „Vicky“ aktuell der treffsicherste Spieler ist. Aber auch andere Mannschaften haben junge Spieler, die sich direkt ins Mannschaftsgefüge einführen. Lennart Granzow (21/SVHR) zum Beispiel hat sich bei seiner Rückkehr nach zwei Jahren USA direkt einen Stammplatz erarbeitet. Torhüter Max Wendt (19/HEBC) hat nicht nur auf der Linie, sondern auch fußballerisch tolle Ansätze gezeigt. Haron Sabah (20) trägt aktuell die Paloma-Offensive, hinzu kommen noch ungezählte andere Namen – die Oberliga Hamburg ist attraktiv für Talente. Aber nicht nur, wie im Falle von Wendt oder Verinac, von außerhalb – auch die eigenen Talentschmieden von Niendorf oder Billstedt bringen Spieler hervor, welche die Oberliga bereichern.