Vicky-Präsident: „Wir haben ein heißes Herz, aber einen kühlen Kopf“

Tribüne zu Ehren von Fred Hölzer. Foto: Mathias Reß

Im Mai feiert der SC Victoria Hamburg sein 125. Vereinsjubiläum, doch gefeiert wird dann nicht. Das war schon einmal der Fall. Das 50-jährige Jubiläum fiel im Mai 1945 dem Krieg zum Opfer. OBERLIGA.info hat sich mit Präsident Ronald Lotz unterhalten. Hier das spannende Interview mit dem 53-jährigen Ex-Profi von der Hoheluft.

OBERLIGA.info: Hallo Ronald, wie ist die aktuelle Lage zum Thema Corona?

Ronald Lotz: Das ist aktuell ein Thema bei unseren rund 3.500 Mitgliedern, hauptamtlichen Mitarbeiter und ehrenamtlichen Übungsleitern. Unser Angebot ist derzeit sehr Internet und Telefon lastig und wir bieten Kurse online an. Sport von zuhause unter Anleitung unserer Trainer ist, bis wir hoffentlich bald wieder gemeinschaftlich starten können, die einzige Möglichkeit. Im negativen Sinne ist es so, dass uns Mieteinahmen durch ausbleibende Veranstaltungen im Stadion fehlen und Werbepartner und Sponsoren darüber nachdenken, worauf sie vielleicht tendenziell in Zukunft eher verzichten könnten. Unsere beiden Gastronomien sind derzeit geschlossen und unsere Mitarbeiter befinden sich in Kurzarbeit. Es schlummert alles und wir bereiten uns auf den Neustart vor. Vieles wird dabei nun weggearbeitet, was liegengeblieben ist. Kurz und gut: Putz- und Flickstunde. Dabei haben alle die Ernsthaftigkeit der Krise verstanden, sowohl Mitglieder als auch Mitarbeiter. Alle sprechen da eine Sprache und dabei geht es in erster Linie um die Gesundheit?

Gefeiert wird trotzdem!

OBERLIGA.info: Sind die Jubiläumsfeiern zum 125. Geburtstags des SC Victoria nur verschoben oder gänzlich abgesagt?

Ronald Lotz: Nein, wir wollen diese Feiern natürlich nachholen. Zu welchem Zeitpunkt, weiß aktuell noch niemand.

OBERLIGA.info: Welche Highlights hast du in 24 Jahren „Vicky“ erlebt?

Ronald Lotz: Vom Trainer und Spieler, Manager und Abteilungsleiter zum Vorsitzenden ist es nun natürlich so, dass ich global für den gesamten Verein denke. Wir haben eine super Entwicklung gemacht. Als ich damals anfing hatten wir 350 Fußballer und jetzt sind es 1.650. Das ist nur möglich in einem guten Team und zusammen. Als Highlights im sportlichen Bereich gehören sicher die fünf Meisterschaften und die gleiche Anzahl an Teilnahmen im DFB-Pokal. Dort haben wir es sogar einmal in die 2. Runde geschafft. Der Aufstieg und der Klassenerhalt in der Regionalliga waren ebenfalls etwas Besonderes. Im infrastrukturellen Bereich ist der Ausbau unseres Stadions, Trainingsgeländes am Lokstedter Steindamm 87 in und der Gärtnerstraße und der Ausbau von Kooperationen zu nennen. Der menschliche Teil im SC Victoria imponiert mir immer sehr. Dazu gehört unser langjähriger Gönner Fred Hölzer, der im vergangenen Jahr leider verstarb. Er war ein Vorbild. Und viele andere Menschen, die ich kennenlernen durfte, die nicht nur Ratgeber, sondern auch Freunde geworden sind.

Ronald Lotz (SC Victoria, Präsident). Foto: oH

„Ich bin froh, dass ich nicht der Entscheider bin“

OBERLIGA.info: Wie stehst du zum Thema Saisonabbruch?

Ich kann mir einen geordneten Wiederbeginn kaum vorstellen. Gerade, was Fußball betrifft, das eine „Kampfsportart“ ist. Dort treffen Menschen aufeinander, die keinen Abstand halten können, auch wenn es im taktischen Bereich wichtig wäre. Zuschauer dürfen nicht ins Stadion und da fehlen wieder die Einnahmen. Ich bin froh, dass ich nicht der Entscheider dieser sehr komplexen Angelegenheit bin.

„Wir haben ein heißes Herz, aber einen kühlen Kopf“

OBERLIGA.info: Ist die Regionalliga lohnenswert und wann wollt ihr dort wieder hin?

Ronald Lotz: Sportlich gesehen ja, aber es müssen dafür mehrere Bereiche erfüllt sein. Das sind der infrastrukturelle, der sportliche und der wirtschaftliche Teil. Hat man diese drei Komponenten, kommt eine gute sachverständige Leitung hinzu. In der Infrastruktur und der Leitung sehe ich uns gut aufgestellt, doch der wirtschaftliche Teil ist aktuell bei uns noch nicht nachhaltig gegeben. Daran gekoppelt ist dementsprechend der sportliche Teil, denn es macht keinen Sinn mit einer guten Oberliga-Mannschaft in der Regionalliga langfristig zu bestehen. Sollten wir Mittel dafür überhaben, investieren wir sie aktuell lieber in die Allgemeinheit des Vereins und verbrennen nicht ein Einfamilienhaus pro Spielzeit für die Regionalliga. Wir haben ein heißes Herz, aber einen kühlen Kopf.

Mit Modellgedanken zur dritten Kraft in der Stadt

OBERLIGA.info: Wie siehst du die Zukunft des Amateur-Fußballs allgemein?

Ronald Lotz: Was Hamburg als Stadtstaat betrifft, würde ich mich freuen, wenn man Ressourcen zusammenbringt. Das sind für mich Sachverstand, Infrastruktur, wirtschaftliche Mittel und sportliche Qualität und Zuschauer, die dann auch dazugehören. Dann hätte man nach den beiden Zweitligavereinen – und hoffentlich bald Erstligisten – eine richtige Kraft. Da muss man bereits an der Wurzel anpacken. Dazu gehört auch ein ordentliches Lizenzierungsverfahren in der Oberliga. Dann kristallisiert sich ebenso eine Kraft heraus und es verwässert nicht alles. Schafft man das nicht und steht ständig in Konkurrenz, auch um Spieler, versickert diese vorhandene Qualität. Das ist nur ein Modellgedanke und darauf hätte ist Lust.

OBERLIGA.info: Dankeschön für das Interview und bleibt gesund.